1. Einleitung
    • Vorgeschichte
    • Über diese Arbeit
    • Überwachungsgesellschaft
  2. Abstract
  3. Überwachung
    • Voir, pouvoir, savoir
    • Das Panopticon von Bentham
    • Überwachungsgesellschaft
  4. Die Beschleunigung der Fotografie
    • Starre Fotografie
    • Lebendige Fotografie
    • Sofortbildfotografie
    • Echtzeitfotografie
  5. Photosharing im digitalen Zeitalter
    • Fotos pro Sekunde
    • Snapchat
    • Instagram
    • Flickr
    • Flock
    • Splendor
    • Kritik an der Schnelllebigkeit der Bilder
  6. Fotografie von Menschen im öffentlichen Raum
    • Rechte und Gesetze
    • Das Urheberrecht
    • Das Nutzungsrecht
    • Das Recht am eigenen Bild
  7. Tragbare Kameras
    • Kartografie des Lebens
    • Wearcam
    • Memoto
    • GoPro
    • Google Glass
    • Kritik an Glass
    • Eine Frage des Kontextes
  8. Authentizität der Masse
    • Metadaten
    • Mehrere Perspektiven
  9. Erinnern und Vergessen
    • Sammeln, Speichern, Organisieren
    • Digitales Verfallsdatum
  10. Ausblick auf die praktische Arbeit
    • Fütterung der Überwachungsmaschinen
    • Aggregation
    • Modifikation
    • Generation
Inhaltsverzeichnis


Kapitel 5

Fotografie von Menschen im öffentlichen Raum

Für die Personen auf den Fotos stellt sich die Frage der Privatsphäre nicht; sie stellen sich hinter ihren Fenstern dar, und diese Bühne haben sie sich geschaffen, indem sie die Vorhänge zur Seite zogen. Arne Svenson, Fotograf der Ausstellung »The Neighbors« (2013)

Rechte und Gesetze

In Zeiten, in denen wir mehr Fotos mit immer weniger Aufwand erzeugen und verbreiten, kopieren und verlinken, wird es immer schwieriger, Kontrolle über das eigene Bild zu behalten. Vielleicht rücken wir uns gerade deshalb immer öfter selbst ins rechte Licht, um im kontinuierlichen Fluss der Facebook-Timeline wenigstens den Status quo selbst zu definieren.1 In Gewisser Hinsicht hat die Fotografie jedoch auch das panoptische Prinzip in den Alltag eingeführt und allgegenwärtig gemacht. Mit ihr kam die Möglichkeit, Personen zu fotografieren, ohne dabei selbst gesehen zu werden. Dem Fotografieren eines Menschen sind aber rechtlich Grenzen gesetzt. In Deutschland bestehen (im Gegensatz zu einigen anderen Ländern) diverse gesetzliche Regelungen zum Schutz des eigenen Bildes.

Das Urheberrecht

Jedes Bild, das durch Licht aufgezeichnet wird, ist urheberrechtlich geschützt – für mindestens 50 Jahre nach Erstveröffentlichung. 2 Es kommt dabei lediglich auf ein Mindestmaß persönlicher, geistiger Leistung an. Dies ist bereits der Fall, wenn das Foto bewusst gemacht oder automatisch veranlasst wird, beispielsweise durch ein Intervalometer. Als Urheber gilt diejenige natürliche Person, die das Lichtbild herstellt, indem sie den Blickwinkel auswählt, die Einstellung der Kamera vornimmt und den Auslöser betätigt. 3 Jeder, der ein Foto macht, hat somit das alleinige Recht zu entscheiden, ob und wie er das Foto bearbeitet, veröffentlicht oder vermarktet. Umgekehrt bedeutet dies, dass er die Veröffentlichung und Nutzung für andere untersagen kann, jedoch nur solange die Rechte anderer nicht verletzt werden.

Prinzipiell gilt: Meine Fotos, die ich im Internet veröffentliche, unterliegen dem Urheberrecht. Dies muss weder explizit gekennzeichnet, noch irgendwo angemeldet werden. Demnach dürfen meine Fotos nicht ohne mein Einverständnis kopiert und weiterverwendet werden. Geschieht dies gegen meinen Willen, habe ich die Möglichkeit, rechtlich dagegen vorzugehen. Dies setzt allerdings voraus, dass ich beweisen kann, dass ich der Urheber des Bildes bin.

Bei digitalen Fotos ist dies durch das Fehlen eines Negativs schwierig – es sei denn man nimmt im RAW-Format auf und veröffentlicht nur digital entwickelte JPEG-Bilder (was bei Smartphones jedoch noch nicht möglich ist). Meta-Daten wie Aufnahmezeitpunkt oder Aufnahmeort eines Fotos reichen dafür nicht aus. Ebenso wenig spezifische Hot-Pixel einer Kamera. Der Besitz von Fotos in voller Auflösung und weiterer Bilder einer Serie können hingegen Indizien sein. Generell ist es am einfachsten, wenn man nur Ausschnitte von Fotos veröffentlicht. Somit kann man jederzeit die unbeschnittene Originalversion als Beweis vorlegen.

Da Facebook, Instagram, Flickr und Co. ihren Sitz in den USA haben, gelten für sie gesonderte Regeln im Umgang mit Urheberrechtsverletzungen. Basierend auf dem Digital Millenium Copyright Act können Nutzer bei Urheberrechtsverstößen den Anbieter direkt kontaktieren und die unverzügliche Entfernung des Inhalts fordern, ohne ihre Urheberschaft beweisen zu müssen. Es liegt am Beschuldigten den Beweis zu erbringen.

Das Nutzungsrecht

Das Nutzungsrecht regelt die Verwendung von Fotos. Im Gegensatz zum Urheberrecht kann der Fotograf die Nutzungsrechte an seinen Bildern übertragen, verkaufen oder vermieten. Für Fotos, die ich auf Flickr, Facebook, Instagram oder anderen Diensten veröffentliche, sind diese Regeln in den Nutzungsbedingungen definiert.

Beispiel Instagram: In einer früheren Version der Nutzungsbedingungen räumten Nutzer dem Dienst eine nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, unentgeltliche, weltweite Lizenz ein, Fotos zu benutzen, zu verändern, zu löschen, hinzuzufügen, öffentlich zu präsentieren und zu reproduzieren. 4 Dies ist beispielsweise notwendig, um mehrere Versionen des Fotos in verschiedenen Bildgrößen zu erzeugen und für andere User verfügbar zu machen. Instagram hätte Fotos damit aber auch anderweitig weiterverwenden, vermarkten und verkaufen können. Nach einer Aktualisierung der Nutzungsbedingungen im Dezember 2012 wurde befürchtet, dass der Dienst tatsächlich Bilder seiner Nutzer verkaufen wolle. 5 Instagram bereinigte diese Fehlinterpretation der Medien und formulierte die Nutzungs­bedingungen klarer – sogar soweit, dass der Dienst nur noch das Recht hat, Bilder selbst zu nutzen und anzuzeigen. Dieses Recht endet mit dem vollständigen Löschen des Bildes (und eventueller Kopien, die andere Leute gemacht haben). Instagram-Inhalte wiederum dürfen prinzipiell nicht von anderen Nutzern reproduziert und verwendet werden. 6

Das Recht am eigenen Bild

Das Urheberrecht wird durch die Rechte von fotografierten Personen eingeschränkt. Strikt verboten ist es, Person in ihrer Wohnung oder in einem gegen Einblick besonders geschützten Raum abzulichten. Im öffentlichen Raum gilt, dass eine Person, die irgendwann irgendwo fotografiert wurde und individuell erkennbar ist, das Recht am eigenen Bild hat. Das heißt: Wenn mich jemand erkennbar auf der Straße fotografiert, darf er diese Bilder nicht ohne mein Einverständnis veröffentlichen. Ich kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen die Veröffentlichung untersagen.

Es ist dabei nicht notwendig, dass ein Gesicht vollständig zu sehen ist. Es genügt, wenn eine Person aufgrund von spezifischen Merkmalen des Bildes durch den Bekanntenkreis identifiziert werden kann. Das Recht gilt bereits, wenn der begründete Verdacht besteht, fotografiert worden zu sein – selbst wenn man das Bild nicht gesehen hat. Nachträgliche Manipulation des Bildes und Verbergen der Augen oder anderer Merkmale, reichen in der Regel nicht aus, um das Recht zu umgehen.

Personen, die nur nebensächlich in einer Landschaft oder im öffentlichen Raum fotografiert werden, haben jedoch keine Kontrolle über die Veröffentlichung der Fotos. Diese Einschränkung gilt auch für Teilnehmer bei öffentlichen Versammlungen und Personen des öffentlichen Interesses bzw. der Zeitgeschichte. 7

Ebenso gilt, dass Fotografien, deren Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung einem höheren Interesse der Kunst dienen, also gewisse künstlerische Ansprüche erfüllen, vom Recht am eigenen Bild ausgenommen sind. 8 Die Kunstfreiheit kollidiert somit mit dem Recht am eigenen Bild und ermöglicht es, unter gewissen Vorraussetzungen, Bilder gegen den Willen von Personen zu veröffentlichen.

James Stewart beobachtet das Geschehen in und um die Nachbarhäuser in »Das Fenster zum Hof« (1954).

Dies zeigte sich bei der vieldiskutierten Ausstellung »The Neighbors« des New Yorker Fotografen Arne Svenson Anfang 2013. Ähnlich wie in Alfred Hitchcocks Film »Das Fenster zum Hof« fotografierte Svenson mit einer Kamera und Teleobjektiv seine Nachbarn. Da die Fassade des Wohnhauses in 475 Greenwich Street fast ausschließlich aus Glas besteht, ist der Einblick ungehindert möglich. Dem Fotografen gelang es so recht einfach, Aufnahmen der Bewohner beim Frühstücken, Schlafen und anderen alltäglichen Tätigkeiten zu machen. Obwohl keine Gesichter zu sehen sind, haben sich die Bewohner selbst erkannt und waren empört. Rechtlich können sie dagegen wohl kaum vorgehen. (vgl. Jensen, 2013, S. 57)

Nachbarn beim Frühstück. Aus der Fotoserie »The Neighbors« von Arne Svenson.

Auch sonst scheint es, als wenn die Einhaltung des Rechts am eigenen Bild angesichts der Bilderflut schwer nachvollziehbar ist. Selbst auf staatlicher Ebene zeigt sich, dass wir womöglich viel öfter auf den Bildschirmen anderer landen, als uns lieb ist. Laut Hanns-Wilhelm Heibey, Vizedatenschutzbeauftragter des Landes Berlin, ist eine flächendeckende Videoüberwachung unzulässig – zum Schutz der informationellen Selbstbestimmung (Heibey 2013; zit. n. Raabe, 2013). Eine Untersuchung des Landesbeauftragten für Datenschutz in Niedersachsen kam 2010 jedoch zum Ergebnis, dass 99 Prozent der von Landesbehörden und Kommunen installierten Videokameras Dinge zeigen, die sie laut Gesetz nicht sehen dürften. (Korte et al., 2010, S. 2) ∞

  1. Laut einer Studie des inoffiziellen Facebook Blogs AllFacebook wechseln Nutzer im Durchschnitt alle 2–3 Wochen ihr Profilbild. Analysiert wurden 500.000 Profile.
  2. Lichtbildwerke mit einer gewissen, nicht einfach zu ermittelnden Schöpfungshöhe sind nach §2 UrhG in Deutschland für eine Dauer von 70 Jahren nach dem Tod des Fotografen urheberrechtlich geschützt.
  3. May, Margarete: Wie sind Fotos geschützt?
  4. Instagram: Terms of Use. Stand: vor 19. Januar 2013.
  5. Instagram will Nutzerfotos ungefragt verkaufen. In: Zeit Online. Stand: 18. Dezember 2012.
  6. Instagram: Terms of Use. Stand: 19. janauar 2013.
  7. § 23 KunstUrhG.
  8. Ebd.